Am 28. Januar 2025 machte sich P. Dr. Heribert Niederschlag SAC mit seinem Mitarbeiter Johannes Maruschke auf den Weg nach Brixen in Südtirol. Prof. P. Dr. Martin M. Lintner OSM, Dekan der Philosophisch-Theologischen Hochschule Brixen, hatte ihn eingeladen, den Festvortrag zum dortigen „Dies Academicus 2025“ zu halten.

Herausforderung am verschneiten Brenner
Der Weg nach Brixen gestaltete sich schwieriger als erwartet. Starker Schneefall führte zu Sperrungen auf der Brennerautobahn. Selbst die Umleitung über die Bundesstraße scheiterte zunächst – die österreichische Polizei untersagte die Weiterfahrt ohne Schneeketten. Schließlich blieb nur der Rückzug nach Innsbruck und die Weiterreise per Zug. Doch auch diese Alternative stieß an ihre Grenzen, als der Zugverkehr am Brenner stillstand. Dank der Hilfsbereitschaft freundlicher Südtiroler, die ein Stück Mitfahrgelegenheit boten, und einer abschließenden Taxifahrt erreichten die Reisenden spätabends doch noch ihr Ziel.

Vortrag über Franz Reinisch zum „Dies Academicus“ der PTH-Brixen
Am nächsten Tag fand in den historischen Räumen des Priesterseminars der „Dies Academicus“ der Philosphisch-Theologischen Hochschule statt: P. Dr. Heribert Niederschlag SAC hielt den Festvortrag mit dem Titel „Im Spannungsfeld von Gehorsam und Gewissen: Der Entscheidungsweg von Franz Reinisch“. Er beleuchtete dabei das zentrale Dilemma Reinischs – der Konflikt zwischen Gehorsam gegenüber seinen Oberen und der Treue zu seinem Gewissen. Reinisch erkannte, dass der Gehorsam in den disziplinären Dingen wichtig ist, aber im spirituellen Bereich seine Grenzen hat, wenn er gegen das Gewissen verstößt. Sein Kompass war die Freiheit, die im Gewissen verankert ist, eine Haltung, die in der damaligen Zeit mutig und revolutionär war. Heribert Niederschlag hob in Anlehnung an Platons Seelenlehre die Bedeutung des Gewissens hervor, denn hier treffen sich die drei menschlichen Kräfte des Intellekts, des Willens und des Wertgefühls. Gerade Letzteres muss durch Familie und Freunde von Kindheit gebildet werden, um ein Gefühl für das Gute zu entwickeln. Franz Reinisch hatte ein besonders ausgeprägtes Wertgefühl.
Besonders eindringlich wurde Reinischs Überzeugung spürbar, als Heribert Niederschlag Hitlers Aussage zitierte, das Gewissen sei eine jüdische Erfindung, eine Last, von der die Menschen befreit werden müssten. Während das Nazi-Regime den absoluten Gehorsam forderte, betonte Reinisch die Freiheit des Gewissens als Ausdruck göttlicher Ordnung. Der Vortrag erinnerte daran, dass echte Freiheit eine Herausforderung ist – oft verbunden mit persönlichem Risiko. Doch wie Reinisch es vorlebte, ist sie der Schlüssel zu moralischer Standhaftigkeit.


P. Dr. Niederschlag knüpfte auch den Bogen zur Gegenwart. Das Zweite Vatikanische Konzil beschreibt das Gewissen als „Heiligtum im Menschen, wo er allein mit Gott ist“. Niemand dürfe sich zwischen den Menschen und sein Gewissen drängen. Joseph Ratzinger, der spätere Papst Benedikt XVI., schreibt in seinem Kommentar zu diesem Text, dass das Gewissen gegenüber der kirchlichen Autorität eine Funktion der Ergänzung und Begrenzung besitze, es stehe sogar über dem Papst. Franz Reinischs Haltung zeigt, dass das Gewissen eine Orientierungskraft sein kann, die heute einen gesunden institutionellen (auch kirchlichen) Gehorsam ermöglicht, der sich jedoch gegen jeden autoritären Anspruch stellt.
Im Anschluss an den Vortrag gab es die feierliche Übergabe von Zeugnissen an zwei Studentinnen sowie die Segnung zweier Tafeln im Eingangsbereich der Hochschule. Eine erinnert an den Besuch von Papst Benedikt XVI. in diesem Haus, die andere würdigt herausragende Seminaristen, darunter Franz Reinisch. Als Zeichen der Erinnerung an ihn überreichte P. Heribert Niederschlag SAC der Hochschule ein Bronze-Relief von Franz Reinisch. Nach dem Mittagessen ging es weiter nach Innsbruck.


Weitere interessante Begegnungen
Am 30. Januar besuchte P. Heribert Niederschlag SAC Bischof Hermann Glettler und besuchte danach das Franziskanergymnasium in Hall in Tirol, an dem auch Franz Reinisch Schüler war. Er gestaltete dort eine Schulstunde und brachte den Jugendlichen das bedeutende Beispiel Franz Reinischs und seiner Gewissensentscheidung nahe. Den Abschluss der Reise bildete ein gemeinsames Mittagessen mit DDr. Herwig van Staa, ehemaliger Landeshauptmann von Tirol und Präsident des Tiroler Landtags, Pfarrer Jakob Patsch, Dekan von Hall in Tirol und mit dem langjährigen Reinisch-Vertrauten Gottfried Rießlegger. Danach kehrten die Reisenden zurück nach Deutschland – diesmal ohne weitere Komplikationen.
